Über Nacht sind nun die ersten Schmucklilien aufgegangen. Manchmal wachsen sie wild am Strassenrand, aber meist sind sie bei den Häusern an der Strasse wie als blau und weisse Willkommensrabatte gepflanzt und bis jetzt habe ich vergeblich nach ihnen Ausschau gehalten.
Wir sind um halb zehn Uhr wieder startklar, mit dem Ziel weiter über die Twin Coast Tourist Route durch die Kauriwälder in die Gegend von Dargaville zu komnmen.
Nach wenigen Kilometern weist ein brauner Wegweiser zu einem Lookout. Wenn er schon einen halben Kilometer vorher angekündigt wird, lohnt es sich meistens, auch dort anzuhalten. Der Weg führt über eine Stichstrasse zu einem Parkplatz, wo Naturschutzgebiet beginnt und man von hoch oben über die Hafenpforte dort bei der grossen Sanddüne schauen kann, wo das Meer in den Hokianga Harbour eindringt.
Arai-te-Uru, ein mystischer und für die Maoris wohl fast heiliger Ort, wo man beim Einfahren in den ruhigen Hafen vom wil-den Meer her Beistand und Schutz erbat. Von hier kann man über viele Treppen hinunter bis zum Strand gelangen. Es sieht vielversprechend aus für Renés Kamera, obwohl für die Bilder wohl der Glanz der Sonne fehlt. Und dann all die Treppen wieder hinauf…! Zum Glück siegt der Gwunder und ich möchte doch auch dort schauen, wo das offene Meer mit seinen hohen Wellen daherbraust. Die ganze Klippe ist ein riesiger Felsklotz, und erinnert mich an den Uluru. Es ist Felsen, der am Zerfliessen ist, wie ein Glacé, wo die Erosion riesige Löcher und Höhlen aus dem Stein herausfrisst. Je weiter wir vordringen, je faszinierender wird alles und unsere Kameras laufen wieder mal heiss. Am Schluss haben wir uns zwei ganze Stunden da unten verweilt und dabei wollte ich zuerst ja nicht mal runter.
Noch ganz benommen von den Eindrücken dort am Meer, kommen wir schon bald ins Schutzgebiet der letzten alten Kau-ribäume durch den Waipoua Forest. Der Kauri ist ein Baum, der wegen seinem Holz sehr begehrt war. Er kann uralt werden und sein Stamm wächst wunderbar gerade und wird fast ohne Äste unten herum bis zu fünfzig Metern hoch. Man hat Raubbau an ihm betrieben, und ihn fast ausgerottet, so dass es heute verboten ist, Kauriholz zu verarbeiten. Hier in dieser Gegend kann man noch die letzten dieser uralten Riesen sehen. Den Tane Mahuta, den Gebieter des Waldes, von dem sie sagen, dass er mehr als zweitausend Jahre alt ist, haben wir auf unseren beiden Reisen hierher besucht und auch heute muss René hier anhalten. Tane Mahuta steht ganz in der Nähe der Strasse und man kann auf einem Steg in den Urwald eindringen. Nicht aber ohne vorher in einer Schleuse die Schuhe abgebürstet und mit einem Desinfektionsspray eingesprüht zu haben. Die noch überlebenden Kauris sind neuerdings wieder in einer anderen Gefahr und zwar schleppt man Keime und Pilzsporen an den Schuhen in den Wald und überträgt das dann auf den Baum, wenn man auf seine Wurzeln steht. Das musste man vor sechs Jahren noch nicht und ebenso war auf der kleinen Plattform, wo man diesen Ehrfurcht erheischenden Baum bewundern kann, noch keine Aufsichtsperson anwesend.
Dieser Tane Mahuta hat für mich etwas besonders Mystisches an sich. Ich weiss nicht, was es ist. Schon bevor ich ihn im Waldesdickicht überhaupt erblicken kann, überrieselt mich eine richtige Gänsehaut und wie bis jetzt jedes Mal, wenn ich vor seinem immensen Stamm stehe und ich ehrfürchtigst in seine Krone hinaufschauen muss, kommen mir auch heute die Tränen.
Weiter geht es in vielen Ringgeliränggeli durch den Kauri Wald, wo man noch an manchen stattlichen Kauris mit ihren ho-hen geraden Stämmen vorbeifährt und da fallen auch die vielen Possums wieder auf, diese nachtaktiven, scheuen Pelztiere, die Opfer der Landstrasse wurden.
Wie die Schmucklilie, scheint auch der Manuka über Nacht erblüht zu sein. Seine feinen, weissen Blüten überziehen seine Büsche wie bei uns der Schlehdorn. Schade, dass die Sonne fehlt.
Nach dem Wald öffnet sich die Landschaft und bis Dargaville liegen wieder weite Landwirtschaftsfelder vor uns. Irgendwo hier wollen wir heute bleiben und wollen uns im i-Site informieren. Dieses Infolädeli ist jetzt im Atelier des Woodturners, den wir beim ersten Mal besucht haben und der uns seine wunderbaren Sachen aus Kauriholz gezeigt hat. Es ist ein wunderschönes Holz und er hat uns erklärt, dass dieses Holz schon über 30‘000 Jahre alt ist und man heute nur solches konserviertes Holz bearbeiten darf, welches man eben wie seines, in einem Moor gefunden hat.
Von ihm bekommen wir auch den Rat, noch dreiviertel Stunden bis Pahi weiterzufahren wo wir einen Campingplatz direkt am Wasser finden.
Zuerst muss ich nun aber noch Bargeld beziehen und probiere meine Postcard aus, die mir zu einer ganzen Handvoll Zwanzigernoten verhilft.
Im Countdown müssen wir eigentlich nur Getränk haben und kommen trotzdem mit einer ganzen Einkaufstasche voll wieder heraus, aber schliesslich ist morgen Sonntag.
In Pahi ist heute ziemlich Betrieb und in der Comunitiyhall wird gefeiert, aber uns stört es weiter nicht, unser Camper ist doch ziemlich schallisoliert, ich kann immerhin ein bisschen an meinen Aufzeichnungen arbeiten.
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