Die Lady führt uns sogar über die Abkürzung auf einer immerhin geteerte Nebenstrasse nach Palmerston North. Uns kann es recht sein, aber so können wir den grossen Windreedli-Wald bei Woodville nur von weitem sehen, das schafft die Kamera überhaupt nicht. Im Wald knacken und sirren wieder Zikaden, dabei ist es unfreundlich kalt, nur gerade 16 Grad, bedeutend kühler als auf der Südinsel.
Wir kommen, wie gestern, wieder durch einsames Farmerland, über enge One-Lane-Brücken und einmal an einem Fluss entlang, der offensichtlich Mühe hat, geradeaus vorwärtszukommen. Man sieht ihn sich auf einem grossen Gebiet durch unzählige Schlüchtchen hin und her winden, bis er endlich einen Ausweg aus seinem Irrgarten gefunden hat.
Einen Hügelzug müssen wir noch überqueren, um nach Plamerston North zu kommen. Vom Pass aus hat man einen kurzen Moment eine grandiose Aussicht auf die weite Ebene, die nun bis zum Meer unter uns liegt. Nur schade, dass die vielen Kurven und die enge Strasse keinen Halt gestatten, um es auch richtig wahrzunehmen. Auch ein Foto gelingt nicht, denn eigentlich möchte ich jeweils von der Gegend etwas einfangen, um es nachher auch René nochmals zeigen zu können, denn ich habe immer das Gefühl, dass er ja das Meiste verpasst, wenn er beim Fahren auf den Verkehr und die Kurven achten muss.
In Palamerston North haben wir nochmals die Möglichkeit, etwas einzukaufen und auch zu tanken. Für Beides weiss man jetzt wieder nie, wann man dazu die nächste Gelegenheit hat.
In Bulls, dort wo sich der SH 1 mit dem SH 3 kreuzen, machen wir auch heute wieder Halt. Es ist schon längst Zeit für einen Kaffee und ausserdem haben wir bald kein Bargeld mehr. Wenn wir wieder den Campingplatz bar bezahlen müssen, sollten wir einen Bancomaten finden. Bis jetzt haben wir zwei vergebliche Anläufe gemacht und es in Palmerston North aber vergessen, weil die Parkzeit abgelaufen war. Wir haben gerade noch zwanzig Dollar Bargeld. Eigentlich kommt man hier in Neuseeland fast ganz ohne aus, denn man kann Beträge von sogar unter fünf Dollar problemlos mit der Karte bezahlen, aber für unsere Glacés gebe ich es lieber in bar und trotzdem kenne ich die Münzen immer noch kaum. Obwohl hier in Bulls immenser Verkehr durchfliesst, ist es eben nur eine kleine, aber ziemlich verrückte Ortschaft und wir finden auch keinen Bancomaten.
In Koitiata ist ein Campground eingetragen und dort hat es sogar powered Sites. Eine Stichstrasse führt etwa acht Kilometer bis dorthin ganz ans Meer. Wir stellen das Auto zunächst auf diesen Platz und suchen dann den Campwart, der irgendwo auf der anderen Strassenseite sein Büro hat. Wir müssen ihm 12 Dollars bezahlen, 8 für die powered Site und je 2 $ pro Person. Es ist nicht ganz Top10-Standard, aber man hat ein WC und Dusche und einen im Freien stehenden Abwaschtrog. Sogar eine Steckdose ist dort vorhanden und jemand hat sein Handy zum Laden eingesteckt.
Mit dem Strom vom Nuggi können wir jedenfalls unsere Akkus aufladen und die Mikrowelle und den Kühlschrank betreiben. Was wollen wir mehr? Heute ist auch nicht so heiss, dass wir hier unbedingt eine Dusche nötig haben, das können wir dann in einem Top10 wieder.
Zuerst wird natürlich auch hier der Strand inspiziert. Der Platz hat keinen eigenen Zugang dorthin, weil hier ein Fluss wieder das Meer sucht und sich immer neue Möglichkeiten suchen muss, dorthin zu gelangen. Der Weg führt zuerst durch einen breiten Gürtel Sumpfland bis man dann zum Sandstrand kommt. Es ist ein düsterer Strand und er ist, soweit das Auge reicht, mit Schwemmholz übersät. Das sind natürlich wieder Sujets für René, der entdeckt überall die skurrilsten Gnome und Fratzen. Auch das Wetter trägt zu dieser düsteren Stimmung bei. Irgendwie kann es gar nicht anders sein, als dass diese Gruppe von Leuten, die noch ganz in der Nähe des Campingplatzes zu einem Apéro angestossen haben und dann zusammen ans Wasser hinauskamen, eine Trauergemeinde ist. Wir haben nicht zugeschaut, was sie gemacht haben, aber bis wir nach einer halben Stunde wieder zurückkommen, sind immer noch alle andächtig dort am Ufer beisammen. Man sieht noch einzelne Blumen, die das Meer nicht mit hinausgenommen und wieder zurückgeschwemmt hat. Die Asche einer Urne hier zu verstreuen, vielleicht von einem Fischer, das passt absolut zu diesem traurig stimmenden Strand.
Plötzlich wird es laut und gerade vier Jeeps oder ähnliche Vehikel rasen zwischen den Baumstämmen und Holzhaufen hindurch über den schwarzen Sand. Nahe bei der Passage, wo man durch das Sumpfland kommt, hat man einen Baumstamm aufgerichtet, woran Bojen hängen. Ich dachte, als Zeichen wo man den Zugang wieder findet, aber vielleicht ist er für anderes gedacht. Die Autos kreisen dort mit heulendem Motor und plötzlich sind dort nicht nur die Raser, welche alle rote Kittel tragen, sondern noch verschiedene Frauen in roten, langen Roben und Schuhen mit hohen Absätzen. Erst jetzt sehe ich, dass auch eine Braut im Hochzeitskleid dort ist und man fürs Hochzeitsfoto posiert. Oder ist es am Schluss die Entführung der Braut?
Wir verziehen uns heute wieder ein bisschen hinter unsere Laptops und überlassen das Feld den dunklen Wolken, dem Schwemmholz und den verrückten Strandfahrern. Wieder haben wir einen Strand entdeckt, an dem wir Sachen gesehen haben, die wir an keinem andern Ort je fanden.
Ich habe heute im Countdown in Palmerston North Polenta gefunden und die gibt‘s heute zum Znacht. Polenta kennt man hier nicht und das letzte Mal habe ich beim International Food eine entdeckt. Seit zwei Monaten habe ich nun diesmal danach Ausschau gehalten und heute hat es dann geklappt. Es ist zwar nur ein 3-Minuten-Mais, aber das ist für meine Kocherei hier mit dem Gas gerade richtig. Dazu gibt’s Tiefkühlgemüse, das ich in der Mikrowelle machen kann und Salat.
Am Schluss gibt’s dann doch noch einen Stress mit Fertigessen, denn die Sonne ist am Untergehen. Sie hat sich bis fast um sieben Uhr rar gemacht, aber jetzt hat es gegen das Meer hin aufgerissen und wir müssen nun natürlich nochmals durch das Sumpfland bis zum Strand, um dabei zu sein, wie sie im Meer versinkt oder zumindest hinter dem ganz schmalen Wolkenband, das am Horizont zu sehen ist. Aber es ist für uns jedesmal ein Ereignis, wenn alles stimmt und diesem Schauspiel kein Hügel und auch sonst nichts im Weg steht.
zum vorherigen Tag | Zurück zur Karte | zum nächsten Tag |