Vor dem Wegfahren muss ich doch noch schnell mal über die Düne ans Meer. Man hat es in der Nacht tosen gehört und ich weiss noch, dass ich es letztes Mal dort gesehen habe – am Morgen das ganze Panorama der Südalpen, fast wie bei Föhn.
Das Wetter für heute scheint zwar gut zu werden, denn obwohl wir gestern wegen aufziehender Wolken und bedecktem Himmel die Sonne nicht im Meer haben untergehen sehen, ist der Himmel heute blau, aber der Horizont ist dunstig und für einen Alpenblick müssen wir uns noch etwas gedulden. Nicht zuletzt, weil wir nun wieder auf die Ost-Seite der Insel wechseln und dabei dieses Gebirge über den Arthur’s Pass überqueren. Diese Strecke sind wir bis jetzt noch nie gefahren.
Unsere Lady schlägt uns den SH73, den Great Alpine Highway vor, zu welchem wir zuerst noch ein Stück der Küste entlang fahren müssten. Obwohl wir ja absolute Küstenfans sind, wenden wir uns diesmal jetzt schon dem Inland zu, wo der Grey River ein riesiges Einzugsgebiet hat, bevor er dann eben in Greymouth (Graumund) ins Meer mündet. Von hier bis Christchurch ist es 330 km und wir folgen zuerst einmal dem State Highway SH7, der ebenfalls die West- mit der Ostküste verbindet.
Ortschaften sind an dieser Strecke dünn gesät und mir gefallen diese kleinen Nestchen, die aus einer Handvoll Häuser bestehen, eins davon ist das Hotel, eins ein Gemeinde- oder Versammlungshaus und wenn man Glück hat, ein kleiner Store, eher ein Kiosk, der auch Post ist, wo man aber das Allernötigste bekommen kann, manchmal sogar eine TipTop-Glacé!
Brunner Mine, ein historischer Platz, macht auf einem braunen Wegweiser auf sich aufmerksam. Neugierig, nicht zuletzt auch, weil man über den Grey River eine alte Hängebrücke gesehen hat, halten wir auf dem Parkplatz an, wo noch ein alter Kamin den Ort kennzeichnet, wo vor hundertfünzig Jahren erstmals Kohle aus dem Berg geholt wurde. Die Schichten kommen hier in der Schlucht, die der Fluss in den Berg gefressen hat, ans Tageslicht und man konnte die Stollen links und rechts direkt in den Berg hineintreiben. Bilder erzählen auch von einer schrecklichen Explosion, bei welcher über sechzig Kumpels ums Leben kamen und für welche heute an dieser Stelle noch ein Denkmal daran erinnert. Schade, dass ich die Informationen wieder nicht alle verstehen kann, aber ich fotografiere jeweils diese Infotafeln und hoffe, dass ich das dann daheim, wenn ich Zeit und Ruhe habe, nochmals durchgehen kann, damit ich dann auch genauere Details in meinem Fotobuch, das ich zu erstellen im Sinn habe, festhalten kann.
Unsere Fahrt geht gemütlich weiter, wir haben ja Zeit und der Platz in Jacksons ist für uns reserviert. Der Lake Brunner bietet eine Gelegenheit zu einem Halt für einen Kaffee. Dass es hier eine Ortschaft hat, ist auf meinem Atlas eingetragen, aber die Häuser muss man suchen gehen. Richtung See ist mal gut, aber wegen der Bahnlinie, an welcher hier sogar ein nostalgisch anmutender Bahnhof steht, müssen wir umkehren. In der Parellelstrasse, von wo wir gekommen sind, finden wir auch ein Café, wo wir parken und bestellen uns jedes einen Blueberry-Muffin. Man bekommt ein weithin sichtbares Nummernschild, das wir auf den Tisch draussen im Garten stellen, wo man direkt auf das Bahnhöflein und den See schauen kann und die Serviertochter weiss nun, wohin sie den Kaffee und die warmgemachten Muffins mit dem Schlagrahm bringen kann.
Nachher müssen wir doch das Bahnhöflein noch inspizieren und überqueren halt das Geleise mit einem kleinen Hüpfer, um noch zum See hinunter zu kommen.
Drüben sehen wir dann, dass man das eben nicht tun sollte. Gleich mehrere Plakate, wo es heisst: keep out! das weiss ich gerade noch, dass das heisst bleib weg! belehren einen, dass widerrechtliches Betreten eine Straftat ist und eine Busse von 10‘000 Dollar kostet. Ich habe fast geahnt, dass ‚offence‘ Straftat bedeutet und den Rest kann ich mir zusammen reimen, aber drüben sind wir nun und sehen, dass eigentlich eine schöne Passerelle auf die andere Seite der Geleise geführt hätte.
Es könnte wirklich sein, dass hier ein Zug verkehrt, denn die Schienen scheinen hier nicht rostig zu sein und es gibt eine Verbindung zwischen Greymouth und Christchurch über den Arthur’s Pass. Die Passerelle können wir immerhin noch benützen, um einen schönen Überblick über den See und seinen Hafen und unsere vorherige Straftat zu haben.
Den See und einen Hügel müssen wir nun noch umfahren und nach einer langen One-Lane-Brücke treffen wir dann auf den SH73, eben den Great Alpine Highway, der über den Arthur’s Pass führt. Gerade hier an diesem Knotenpunkt liegt unser vorgebuchter Campingplatz, ein richtig schöner fünf-Sterne-Zeltplatz, den man hier in dieser Wildnis gar nicht erwarten würde. Zu Renés Überraschung ist es genau der Ort, den er daheim auf seine Wunschliste gesetzt hat, als er mit Google earth die lange One Lane Bridge und das breite, faszinierende Flussbett gesehen hat.
Als erstes gehen wir also mal dort hinunter. Vom Campground aus weist uns ein Wegweiser durch ein kurzes Stück fast undurchdringlichen Urwald, dem wir natürlich folgen und der mich mit seinem Vogelgezwitscher und Bachrauschen richtig entzückt. Das Flussbett des Taramakau River mit seinen beiden Brücken entzückt dafür René. Zum einen ist es die lange One Lane Bridge und das andere ist die Eisenbahnlinie, die gerade daneben ihre eigene Brücke hat. Für René sind nämlich Brücken auch von unten immer spannend.
Das Flussbett ist hier so breit, dass es verschiedene Wasserläufe hat und wir rätseln eine ganze Weile, in welcher Richtung nun das Wasser fliesst. Einmal durchwaten wir einen breiten Wasserlauf und meinen aber, dass er weiter vorn in einem Bogen wieder zurückkommnt, bis wir merken, dass uns der Wind narrt, der Pseudo-Wellen den Fluss hinauf bläst. Ein weiterer Wasserlauf erscheint auch als Quell mitten im Flussbett und gesellt sich dann zu den anderen Wassern, die sich Richtung Westen (natürlich!) dem Meer zuwenden. Der Himmel ist heute ziemlich bedeckt und man kann sich schlecht orientieren, wo West und Ost ist (dies einfach als Entschuldigung).
Als Fotosujets haben wir ausserdem eine Art gelbes Löwenmaul gefunden und im Ufergebüsch eine Menge Swingbridge-Blumen.
Als Attraktion kann man hier bei einem nächtlichen Spaziergang an verschiedenen Orten Glühwürmchen beobachten und es wird einem genau erklärt, wo diese zu finden sind. Auch ein Wasserfall ist im Angebot, den man auf einem Wanderweg durch den Regenwald erkunden kann. Sinnvoll wäre es ja, diesen Glühwürmchentrip zuerst bei Tag zu rekognoszieren. Also machen wir uns zum zweiten Unternehmen auf, das uns den Berg hinan in den Urwald führt. Es ist gut, dass wir das tun, denn so ist uns schnell klar, dass wir das im Dunkeln sicher nicht machen werden, da es wirklich ein dichter Wald ist. Für mich zwar wunderschön und geheimnisvoll, aber die Aussicht, an einen Wasserfall zu kommen, überstimmt einmal mehr jede Vernunft. Aber es kommt gut. Wir finden immerhin nach etwa einer halben Stunde Wanderung den rauschenden Wasserfall, der wirklich auch Wasser führt und haben dafür das Gefühl, für heute genug Abenteuer gehabt zu haben.
Später senken sich die Wolken noch mehr den Berghang herunter und es regnet in der Nacht auch noch. Ich schlafe trotzdem gut, obwohl ich heute die Sterne nicht schauen kann.
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