Als ob nichts gewesen wäre, scheint heute die Sonne aus einem blauen Himmel zu unserem Fenster herein. Nun heisst es so langsam Abschied nehmen vom lustigen Zigeunerleben, wo man jeden Morgen an einem anderen Ort aufwacht und sich jedesmal zuerst kurz orientieren muss, in welcher Richtung die Toiletten anzusteuern sind. Die Gegend sieht frisch gewaschen aus und die Strasse führt uns zuerst schon noch durch recht ländliche Gegenden. Wir haben für heute bei einem Campingplatz in Avondale, unseren letzten Übernachtungsort, vorreserviert. Er ist nur wenige Kilometer vom Britz-Hauptsitz in Auckland, wo wir den Camper abgeben müssen, entfernt. Bald könnte man jetzt auf dem SH 1, der nun als Autobahn über Auckland hinaus nordwärts führt, weiterkommen. Es ist bereits eine Zunahme des Verkehrs zu bemerken. Im Internet hat René in Drury eine Post ausfindig gemacht, wo er noch ein Päckli zum Heimschicken loswerden will. Dieser Ort wird aber von der Autobahn umfahren, also wählen wir die normale Verbindungsstrasse und kommen so über Land und Berg und Tal und sind plötzlich in Bombay. All diese Ortschaften, die relativ nahe am Motorway liegen, unterscheiden sich nun doch von all den einsamen Nestchen, die wir über Land schon gesehen haben. Irgendwie gepflegter, mehrbesser, zum Teil neuer und man sieht einfach, dass hier mehr Geld vorhanden ist. Aber immer noch sind es nur Parterre-Einfamilienhäuser. Ähnlich im Stil und man hat nicht das Gefühl, dass sich, wie bei uns, jeder mit einer architektonischen Ausgefallenheit vom Nachbarn abheben muss. Ausser einmal ein Bauer, der dieses Gefühl des sich Hervorhebens hatte, da musste es dann gerade ein Schloss sein, wo er auch ein Café an der Landstrasse betreibt.
Die Post in Drury befindet sich, wie wir das bis jetzt immer wieder erlebt haben, in einer Ecke eines Ladens. Vielleicht ist es auch das, was noch vom Postamt übrig geblieben ist. Wir sind ja mit unseren Postämtern auch nicht mehr weit davon entfernt. Einzig, dass diese automatische Ladentür mit einer kurzen Verzögerung öffnet. Gerade so, dass man Zeit hat, zu lesen, dass man keine Sonnenbrille tragen darf und auch kein Helm oder Kapuze erlaubt sind, wenn man hier eintreten will.
Renés Souvenirs sind jetzt also selbständig auf dem Heimflug und wir nehmen noch die letzten Kilometer unter die Räder. Der Verkehr nimmt immer mehr zu. Überall sind auch wieder Baustellen und die Verkehrshütchen engen die Fahrbahn ein, sodass regelrecht „Ohre hinderelitze“ angesagt ist. Zum Glück sind diese abstehenden Ohren, sprich Seitenspiegel von Haus aus dafür konzipiert, dass man sie problemlos wieder zurückklappen kann.
Die letzten Stunden in Avondale müssen wir noch zum Packen und Camper ausmisten aufwenden. Die schönen Schubladen im Kühlschrank, die mir René aus leeren Wasserkanistern zugeschnitten hat und die mir so gute Dienste geleistet haben, sind fast zu schade, um wieder in den Recyclingtonnen zu landen. Sie haben mir viel geholfen, damit ich den Überblick behalten konnte und auch nicht immer auf den Knien in den Tiefen des Kühlschranks wühlen musste. In der Campküche hat es eine Kiste, wo man Sachen wie zum Beispiel meine noch fast vollen Öl- und Essigflaschen spenden kann. Es steht zur freien Verfügung und wer etwas davon gebrauchen kann, darf sich bedienen. Ich habe davon unterwegs auch schon mit Salz und Pfeffer und anderen Gewürzen profitiert.
Dann wird noch zum letzten Mal der Tisch von seinem Einbein-Sockel gezogen und zwischen die beiden Sitzbänke geschoben, um daraus das Bett zu machen. Die Sitz- und Lehnenpolster werden zur Matratze und aus der Kiste unter der Sitzbank kommen Leintuch, Kissen und Duvet – Handgriffe, die nun schon fast in Fleisch und Blut übergegangen sind. Ein bisschen wehmütig stimmt es schon. Ich hätte noch lange so herumvagabundieren können. Nur aufs richtig Kochen können freue ich mich jetzt doch wieder.
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