Weiss der Himmel, warum uns die Lady heute erst einmal durch einen riesigen Park und dann ins City Center führt, nachdem wir ihr gesagt haben, dass wir zunächst einmal tanken wollen, damit uns dasselbe wie schon einmal passiert, denn hier im Süden kann man auch nicht an jeder Strassenecke Diesel nachfüllen. Die Hauptstrasse, also der State Highway 1 (SH 1), der in Invercargill am Bluff, dem (fast) südlichsten Punkt Neuseelands beginnt und über gut 1500 km bis zum Cape Reinga auf der Nordinsel führt, zweigt von hier aus über Gore etwas ins Landesinnere ab. Wir wollen aber der Southern Scenic Tourism Route folgen, welche der Küste entlang führt, wo nicht viele Ortschaften, also auch nicht viele Einkaufsmöglichkeiten anzutreffen sind, weshalb auch noch ‚bunkern‘ angesagt ist.
Dann können wir uns wieder ins Abenteuer der Geradeausstrecken stürzen. Kilometer um Kilometer endlose Strasse durch die Ebenen der dem Meer zustrebenden Flüsse. Sie sammeln sich vor ihrer Mündung noch in grossen Wetlands, wie um sich zu überzeugen, dass sie es doch wagen wollen, ihr Wasser dem weiten Meer anzuvertrauen. Durch dieses Sumpfland führt auch selten eine Strasse und wenn eine von der Scenic-Route abzweigt, ist sie staubig und ungeteert. So gern wir an jedem möglichen, unbekannten Strand anhalten, um ihn zu erforschen, für uns ist ‚Gravelroad‘ kein Thema. Das das darf man nämlich mit dem gemieteten Camper nicht. Das Wetter lässt sich heute Vormittag gut an, der Himmel zeigt sich doch mehrheitlich von seiner blauen Seite und das Weideland hier ist ohne Bewässerungsapparate frisch und grün und gespickt mit vielen Kühen und Schafen. Man sieht hier wieder viel Toe-Toe-Gras, das mit seinen goldenen Wedeln den vorbeifahrenden Touristen zuwinkt und heute haben sich hier die endlosen Strassenränder mit einem gelben Blumenband geschmückt.
Ortschaften sind keine auszumachen, nur ab und zu ein Landwirtschaftsbetrieb. Meisten sind dies aber nur Schuppen oder aus Wellblech zusammengezimmerte Unterstände, manchmal mehr zusammengekracht oder sicher mit leckem, verrostetem Dach, sei es als Lager oder vielleicht als Unterstand fürs Vieh. Die Wohnhäuser sind vielfach eher versteckt hinter Gebüschen oder Tannengruppen, aber auch die sehen manchmal ziemlich verlottert aus.
Bei Fortrose, wo der Mataura River in den Pazifik mündet, kommt man wieder zum Meer. Das Gebiet hier und auch Curio Bay, wo wir heute eine Bleibe suchen wollen, gehören zu den Catlins, wovon auch ein grosses Gebiet als Naturschutzzone in meinem Atlas grün eingezeichnet ist. Mit dem Vater von Moritz haben wir uns heute Morgen noch über unsere Ziele ausgetauscht. Sie wollen zum Slope Point fahren, dem wirklich südlichsten Punkt von Neuseeland. Aber bis dorthin führt keine Teerstrasse, werfe ich ein. Aber er meint, Kollegen hätten gesagt, es sei eine gut befestigte und breite Strasse, das gehe schon. Curio Bay wäre auch über jene Strasse zu erreichen und erst noch gut dreissig Kilometer näher. Bei Fortrose müssen wir uns entscheiden und halten an einem Infocafé an, um uns zu erkundigen. Dort liegt ein Flyer für Camper mit einer Karte und den Adressen aller Campingplätze in den Catlins auf und darin ist die Strasse als Hauptstrasse eingetragen und es gibt eine Verbindung direkt zur Curio Bay. Wir wagen es also und fahren weiter, ziemlich lange hinter einem andern Camper her. Unsere Lady will uns aber konsequent wieder Richtung State Highway auf einen immer länger werdenden Umweg schicken. Einmal erhasche ich einen Spot auf einem Wegweiser nach Curio Bay, der 14 km als ‚Gravel‘ zeigt. Vor uns ist unverdrossen immer noch der andere Camper, auch als wirklich die Kiesstrasse beginnt. Er biegt dann allerdings Richtung Slope Point ab. Wenn wir nun schon da sind, fahren wir auch weiter. Befestigt sieht diese Strasse auch nicht gerade aus. Sie ist zwar schon so breit, dass zwei Fahrzeuge kreuzen können, aber es wird gebaut und sie ist ziemlich frisch aufgeschüttet. An einem Ort haben wir gerade Glück, dass erst die eine Seite abgebaggert ist. Ein Zurück gibt‘s eh nicht, das wäre 70 km, ein Vorwärts noch 10. Eisern beissen wir auf die Zähne, schliessen die Fenster und hüllen uns und andere in Staub. Es kommt einem doppelt so schlimm vor, weil man ein schlechtes Gewissen hat – wir hören nie mehr auf andere!
Aber Gottseidank, es ist alles geschafft und nichts passiert. Die Curio Bay ist auf einer anderen, nicht schon ausgekundschafteten Route erreicht! Im dortigen Campingplatz erhalten wir tatsächlich einen Platz, schön abgeschirmt von etwa drei Meter hohem New-Zealand-Flax, welcher jede einzelne ‚Site‘ umgibt. Die ganze Klippe hier ist bewachsen mit diesem Flax und überall kann man auch frei campieren. Badende in der Porpoise Bay kommen hier herauf, wo es öffentliche Toiletten gibt und seit wir das letzte Mal hier waren und den steinernen Wald besuchten, hat es am Ende unseres heutigen Campingplatzes ein modernes Infozenter mit Café-Restaurant gegeben. Ein paar Meter von unserem Platz weg geht es direkt auf eine felsige Platte, welche aber nur bei hoher Flut vom Meer mit Wasser bedient wird. Im Moment ist sie sehr einladend für Erkundungen mit unseren Kameras und zum Schluss erklimmen wir den nahen Hügel, wo man in der Ferne nun wirklich nichts anderes als die Antarktis sehen könnte.
Wir haben für heute die Curio Bay ausgewählt, weil es ein bisschen ein spezieller Ort ist, denn es ist fast der südlichste Zipfel der Südinsel. Das ist auch da, wo vor 170 Millionen Jahren einmal ein Wald stand. Katastrophen von Asche speienden Vulkanen und Sturzfluten von Regen deckten hunderte von Quadratkilometern mit diesem Ascheschlamm zu. Silizium im Schlamm imprägnierte die stehenden Bäume und verwandelte sie in kurzer Zeit zu Stein. Es ist erstaunlich, wie gut man die Struktur von Holz in diesen steinernen Stämmen und Baumstrünken heute noch erkennen kann. In dieser Bucht kommen auch Seelöwen ans Ufer und wenn man Glück hat, trifft man auch den seltenen Gelbaugenpinguin. Dieses Glück hatten wir letztes Mal und heute sehen wir die Hectordelfine. Man badet im Meer in der schönen Bucht und dann kommen die Delfine und spielen mit den Leuten. Ich habe einen gesehen, der einen Salto in der Luft machte. Meisten sieht man von ihnen nur eine Flosse und vielleicht den Rücken, aber für ein Foto reicht es meistens nicht. Ich bin auch nicht mit ihnen geschwommen, denn das Wasser ist mir heute zu nass …
Ausserdem hat es zu regnen begonnen, so wie es sich auf meinem Bild der Curio Bay angekündigt hat und ich will versuchen, meinen Reisebericht etwas aufzuarbeiten.
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