Es ist heute wieder trüb und düster zum Abfahren. Wir wollen die Verbindungsstrasse von hier hinüber zum SH 1 nehmen, welcher der Küste entlang nach Kaikoura führt, denn diese kennen wir noch nicht. Gerade Ausgangs der Ortschaft kommen wir an der Allerheiligen-Kirche vorbei, welche beim Erdbeben vor einem Jahr stark beschädigt worden ist. Aus Bachgwäggis erbaut, erstaunt es einen gerade, dass es sein kann, dass ein solch bulliger Bau einzustürzen droht. Der angebaute Turm steht sichtlich schief und rings um das Gelände ist ein Maschendrahtzaus angebracht und an die Scheiben geklebte Warnungen sollten einen Zutritt zum Gebäude verhindern. Das ebenfalls aus solchen Steinen erbaute Pfarrhaus nebenan, steht auch verlassen und düster und traurig mutet es einen an, zu sehen, dass in seinem Garten ein Kinderspielplatz unbenutzbar ebenfalls eingezäunt ist. Die Hälfte eines riesigen Baumes liegt abgebrochen auf Kinderschaukeln und Rutschbahn.
Ein bisschen oberhalb des Dorfes hat man nochmals die Gelegenheit, auf Waiau zurückzuschauen und das riesengrosse Gebiet, welches das Flussbett des Waiau-Rivers und noch vielen anderen von seinen Zuflüssen in Anspruch nehmen.
Die Leader-Road ist etwa 30 Kilometer einsame, fast wilde Strecke, bis sie in den SH 1 mündet. Auch hier, noch im Hinterland, meint man Auswirkungen des Erdbebens zu sehen, mit klaffenden Rissen in der Erde und abgerutschten Teilen von Hängen, die zum Teil auch die Strasse in Mitleidenschaft gezogen haben.
Vielleicht ist alles aber nur Einbildung und Nachwirkung vom Eindruck von heute Morgen. Noch sind wir aber nicht an der Küste vorn, als bereits die ersten Baustellen kommen, wo man den Verkehr wechselseitig reguliert und man sieht nun gut, dass halbe Hänge und Teile der Strasse abgestürzt sind. Auch an der Eisenbahnlinie muss saniert werden. Es scheint, dass der Schienenverkehr immer noch nicht funktioniert. Kaikoura war ja eine Weile von der Umwelt abgeschnitten.
Eigentlich wäre es Zeit für einen Kaffee und wir halten bei einem Café an, das direkt am Meer an einem felsigen Strand liegt. Wir stellen das Auto neben dem Haus auf einen leeren Parkplatz. Nur ist das Café geschlossen und macht eigentlich einen verlassenen Eindruck. Also machen wir noch eine kurze Erkundungstour am felsigen Strand und entdecken dabei, einen grossen Seehund, der gemütlich in einem von Felsen umgebenen Tümpel, abgeschirmt von der Meeresbrandung, herumplantscht.
Plötzlich spricht uns eine Frau an und fragt, ob wir dort beim Café geparkt hätten. Das sei gefährlich und wir sollten weggehen, denn der ganze Hang sei rutschgefährdet, weshalb sie selber auch nicht mehr dort ins Haus dürfte, in dem sie wohnt. Weil wir von Waiau her auf den SH 1 getroffen sind, haben wir gar nicht mitbekommen, dass auf diesen Strecken nicht nur mit Behinderungen gerechnet werden muss, sondern auch ein Halteverbot gilt. Es könnte also immer noch etwas passieren. Eindrücklich sehen wir das beim nächsten Bluff. Bei diesen Felsnasen, die man umfahren muss und wo schon immer riesige Felsbrocken im Meer liegen, sind nun noch mehr dazugekommen und man ist daran, den ganzen Hang zu sichern und auch die Strasse vor nachrutschendem Material zu schützen.
In Kaikoura ist es auch traurig. An dieses Städtchen erinnern wir uns gut und wollen auch heute dort zuerst etwas schlendern. Im 4 Square kann man nicht mehr einkaufen, aber die Schaufenster sind mit Bildern tapeziert, welche von Hilfe aus der ganzen Welt erzählen. Man hat sich mit diesem Ort solidarisiert und mitgeholfen, die Katastrophe zu überstehen. Der kleine ‚Konsum‘ steht zwar noch, kann aber nicht mehr benützt werden. Das typische Vordach ist mit Spriesseisen gestützt und all diese Stützen sind mit Strickwaren aus farbiger Wolle eingestrickt, wie dies seinerzeit in Basel mit der Brücke gemacht worden ist, ein Zeichen, dass man an Kaikoura denkt. Von einzelnen Geschäften ist nur noch das Fundament vorhanden und dort sind vorderhand nur Parkplätze. Andere sind saniert oder gar schon neu aufgebaut. Auch das ganze Kaikoura stimmt einen eigentlich nur traurig.
Wir erinnern uns, dass wir letztes Mal in Kaikoura waren, aber nicht ob wir im Top10 abgestiegen sind. Meistens erkennen wir an Irgendetwas einen Platz wieder, aber von hier fehlt uns die Erinnerung. wir haben gestern Abend per Internet einen Platz gebucht, bezahlt und bestätigt bekommen und uns wird eine powered Site gerade hinter dem Schwimmbad zugewiesen. Polizei ist auf dem Platz und wir müssen gar neben zwei Patroulienfahrzeugen vorbei fahren und man wird gut beobachtet. Hier ist irgendwas los. Zwei Sites sind abgesperrt, und mit Zeltplanen verhängt. Es sieht wirklich aus, wie an einem Tatort in Fernsehen, wenn die Spurensicherung am Werk ist. Es wird wohl jemandem was gestohlen worden sein, meint René. Aber um acht Uhr, als ich mir die Zähne putzen gehe und von den nebelumschleierten Bergen, die nun plötzlich zum gute Nacht sagen in Erscheinung getreten sind, ein Foto machen will, ist die Polizei immer noch da, aber von uns aus kann man nicht sehen, was geht. Noch immer können wir uns nicht an diesen Platz erinnern. Aber René hat vom letzten Mal seine Trackerdaten im Compi und kann nachschauen, wo wir unsere Stationen gemacht haben. Wir waren tatsächlich hier auf diesem Campingplatz und unser Standort war genau an dem Platz, der von der Polizei jetzt abgesperrt ist….
Ich behaupte, dass da was Schlimmeres passiert ist, als nur ein Diebstahl. Ein düsterer Tag von Anfang bis am Schluss!
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