Nichts ist mit einsamem Sonnenaufgang über den Moeraki Boulders. Der Himmel ist verhangen und man kann noch ein bisschen weiterschlafen. Um zwölf Uhr ist bei Alex ‚Kick-off-time‘ und als wir uns persönlich bei ihm verabschieden, gibt er uns noch einen Tipp mit auf den Weg. In Oamaru ist heute Bauernmarkt und falls wir Ed treffen, den Bäcker, sollen wir ihn von Alex grüssen. Also wenn uns schon ein Schweizer hier in Neuseeland einen Bäcker empfiehlt, weiss man, was das bedeutet.
Es geht also heute weiter nordwärts und sobald es geht, zweigen wir wieder vom SH1 ab und folgen der etwas schmäleren Strasse, welche ganz dem Meer entlang führt und machen beim Picknickplatz am Orore Point, einer felsigen Klippennase einen ersten Halt. Von der Strasse aus sieht man die Felsenbrücke gut, die aussieht wie ein Elefantenkopf, der seinen Rüssel ins Wasser steckt. Beim näher Hinschauen sieht man die verschiedensten Farben und Gesteinsarten in dieser Klippe, welche vor 35 Millionen Jahren durch einen Vulkanausbruch als Insel entstanden sei, erklärt eine Tafel und noch weitere interessante Sachen, woher zum Beispiel die Farben kamen etc. Wir entdecken an diesem Strand hier aber auch wieder anderes Neues und auch Farbiges, es hat hier viele Paua Shells. Was am Strand angeschwemmt wird, ist meist nicht mehr lebendig. Diese schillernden, grossen Muscheln scheinen geschützt zu sein, denn ein Hinweis auf einer Tafel erinnert Fischer daran, dass sie höchstens 10 solche sammeln dürfen und ihre minimale Grösse ist ebenfalls angegeben, wie dies für die Fische auch gilt. Schön grosse Schneckenhäuschen finden wir ebenfalls und einmal erschreckt mich sogar eins, das noch bewohnt ist. Ich will diese lebende Schnecke an einem Ort wieder aussetzen, wo sie etwas tieferes Wasser hat. Dort saugt sie sich sofort fest, so dass ich sie nicht noch ein zweites Mal wegnehmen könnte, um sie vielleicht vor der Ebbe noch etwas in Sicherheit zu bringen.
Bis wir nach Oamaru kommen, verziehen sich auch die Wolken. Wir peilen den Hafen zielgenau an und können den Gruss an Ed noch ausrichten, bevor die Marktleute wieder zusammenräumen. Er hat zwar schon fast alles verkauft, mir bleibt gerade noch ein frisches Vollkornbrot, das er mit frischer Hefe zubereitet hat. Sein Nachbar, der Bauer tut mir gerade etwas leid, denn er hat noch lange nicht alles Mitgebrachte verkauft. Er würde mir gerne ein paar Tomaten oder Zucchettis verkaufen, aber ich bleibe bei einem Sack kleinen, neuen Kartoffeln, welche ich heute Abend braten werde.
Dann entdecken wir noch die alte Hafenstrasse mit ihren Galerien und musealen Läden und weitere sonntägliche Aktivitäten, die heute geboten werden, inklusive Eds Bäckerei, bei welchem Alex wöchentlich sein Brot bezieht. Ein Zug mit einem offenen Kalberwagen, einem Güter- und einem Personenwagen wird von einer hupenden und lärmidierenden Draisine durchs Quartier gezogen. Schön den Gleisen entlang drapiert kann man verrostete und mit Schlamm und Muscheln überzogene Teile einer wahrscheinlich ins Meer gestürzten und nach Jahren wieder geborgenen Zugskomposition bewundern.
Hinaus zu den Pinguinkolonien gehen wir heute nicht, das haben wir das erste Mal hier ‚abgehäkelt‘.
Wir fahren weiter eine viele Kilometer lange Geradeausstrecke bis wir zum Waitaki River kommen. Dort an seiner Mündung soll ein Holidaypark sein, den wir anvisieren wollen, vorausgesetzt seine Internetverbindung ist brauchbar. Wir sollten beide unsere Seiten noch etwas aktualisieren.
Der Hotspot ist sogar gut und wir verbringen wieder mal eine Nacht im Camper umgeben von lauter Fischern. Es sind zwar nicht solche, die mit ihren Booten protzen. Diese hier begnügen sich mit ihren Fischruten am Flussufer oder vielleicht auch am Meeresstrand. Der Strand hier ist für Badegäste auch nicht attraktiv. Man muss vom Camp aus etwa einen Kilometer bis zum Strand laufen und man soll gute Schuhe anziehen, hat uns die Rezeptionistin gesagt. Alles nur Steine, soweit das Auge reicht, bis zum Wasser, alles flachgeschliffene Kieselsteine. Das Gehen darauf ist recht ermüdend und viel Aufregendes kann man nicht finden. Einzig die Kormorane, die uns neugierig beobachten, sind wirklich lebendig, alles andere ist tot. Skelette von Fischen, von denen der Kopf wohl niemandem schmeckt und ab und zu zwischen den Steinen eine zerbrochene Muschel oder Paua Shell und eine Unmenge von einer plastikartigen, komischen Masse, die wie eingetrockneter Schleim aussieht, von der wir keine Ahnung haben, was es sein könnte.
Dann an der unendlich weiten Mündung des Waitaki Rivers die schwarzen Austernknacker mit ihren langen Schnäbeln, die mit ihresgleichen dauernd am Kämpfen sind und einander die Futterplätze streitig machen, ansonsten die Ruhe der Weite, wo die Fischer geduldig am Boden sitzen und auf einen Fang warten.
Mühsam und für René auch ein bisschen nervaufreibend sind all die weggeworfenen Sachen aus Plastik, von denen man weiss, dass sie langsam aber sicher alle Meere belasten. Einmal sammelt er einen ganzen Knäuel von wohl hundert oder mehr Metern Fischersilk aus dem Kies. Es ist komplett verheddert, aber er zieht und zieht, bis er alles aus den Steinen herausgerissen hat und nimmt es mit heim, um es im Abfalleimer des Camps hoffentlich der Verbrennung zuzuführen und rettet damit wenigstens einen Meerfisch oder Seevogel vor elendiglichen, tödlichen Verstrickungen. Vielleicht landet es aber auch nur im ‚Landfill‘, wie sie die Deponien hier nennen, aber hoffentlich immerhin nicht mehr im Meer.
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