Sicherheitshalber mache ich mir heute nur einen Tee und esse ein Stück Toastbrot und dann begleitet mich René zum Hafen. Er will sich dann selber einen ruhigen Tag machen. Es haben sich neunzig Personen für diesen Trip angemeldet und man fährt mit zwei Schiffen hinaus. Beim Bezahlen bekommt man als Billet eine Art metallenen Trichter. Meiner hat einen roten Punkt und das bedeutet, dass ich auf dem Katamaran, dem ‚Predator‘ einen Platz bekomme. Für die 50 Kilometer, welche White Island draussen im Pazifik liegt, brauchen wir etwa eine Stunde und 20 Minuten. Vom Land aus kann man den Vulkan nicht sehen, höchstens, wenn das Wetter nicht so dunstig ist wie heute, habe ich schon seine Rauchfahne sehen können.
Hier ist das Wasser noch spiegelglatt, die kritische Stelle ist beim Hafeneingang, wo man sich auf einen Schlag wie auf ei-ner Berg- und Talbahn vorkommt. Ich geniesse das richtig, aber die ersten werden schon kriedebleich und machen jetzt schon ihre Tüte bereit. Neben mir hat ein Texaner Platz genommen, dessen Frau eben wegen der Seekrankheit gar nicht erst mitgekommen ist und der sagt mir, dass man dann hinauf aufs Oberdeck gehen könne. Im ersten Moment denke ich, dass es ein Witz sei. Sobald wir aber aufs offene Meer hinaus kommen, ist die Schaukelei nicht mehr gar so arg und mein Nachbar folgt einem Begleiter wirklich das Treppchen hinauf auf Oberdeck. Ein paar andere stehen auch auf und folgen ihnen. War es also doch kein Witz und natürlich bin ich ebenfalls dabei. Von den Erklärungen und auch der Geschichte von Tarawera und ihrem Mann, welche uns über Lautsprecher erzählt werden, verstehe ich überhaupt nichts. Ich werde heute halt einfach schauen, was die andern machen und wenn ich etwas falsch mache, kommen die dann schon. Ich geniesse also die tolle Fahrt oben und langsam verschwindet Whakatane, Moutohora Island immer mehr und langsam taucht White Island mit seiner Rauchfahne aus dem Dunst vor uns auf.
Plötzlich sieht die Frau neben mir einen Delfin und auch das Tempo des Schiffs verlangsamt sich. Am Himmel sieht man nun ganze Vogelscharen kreisen und man darf aufs Vorderdeck. Tatsächlich befinden wir uns mitten in einem Schwarm Delfinen die munter um unser Boot herum schwimmen, auftauchen, spritzen und man hat wirklich das Gefühl dass sie richtig mit uns spielen. Ich bin ganz happy und hoffe dass meine Kamera mit den Seriebildern wenigstens was getroffen hat.
Weiter geht’s wieder zurück auf den Kurs auf den Vulkan zu, dem wir nun schon ziemlich nah gekommen sind und von welchem eine Wolke zum Himmel steigt, welche nun bald die Sonne verdeckt. Sein Krater befindet sich fast auf Meereshöhe und früher gab es hier einmal eine Schwefelabbaufabrik, von welcher aber nach einem Ausbruch nur noch Überreste stehen geblieben sind.
Wir werden nun alle herunter gerufen, weil wir Schwimmwesten fassen müssen. Dann wird auch noch jedem eine Gasmaske und ein Helm verteilt. Derart ausgestattet muss man nun etwa 100 Meter vom felsigen Ufer entfernt ins Schlauchboot umsteigen. Immer acht pro Fahrt und am Ufersteg muss man drei Tritte über eine Leiter klettern und dort kann man dann die Schwimmweste wieder ausziehen. Den Helm muss man aber jederzeit aufbehalten. Das habe ich verstanden. Die Führerin, die uns noch zeigt, wie man die Gasmaske handhaben muss und der wir nun folgen sollen, sage ich nur, dass ich eben nichts verstanden hätte und sie mich im Auge behalten soll, damit sie reagieren kann, wenn ich was falsch mache.
Zuerst werden mal Lutschbonbons verteilt und ich begreife, dass man dadurch weniger schnell das Gas einatmen kann.
Schon nach kaum hundert Metern ist man bei einem dampfenden Schwefelloch und wenn uns ein Windhauch den Dampf entgegenbläst, merkt man von allein, dass man jetzt vielleicht die Gasmaske vors Gesicht halten muss, weil man zu husten beginnt. Die Farbenpracht des Schwefels begeistert mich und auch die Struktur des steil aufragenden Kraterrandes gegenüber, von welchem die Insel zu drei Vierteln umgeben ist. Man hat das Gefühl auf dem Mond oder dem Mars zu wandern oder nein, ich bin mitten an einem Tanz auf dem Vulkan. Denn er ist wirklich aktiv und ausgebrochen ist er erst im Sommer 2013 das letzte Mal und es könnte jederzeit passieren. Etwas weiter hinten kommen wir zum richtigen Krater, wo man zum Kratersee hinunterblicken kann. Also sind es wohl Dampfwolken, die hier aus verschiedenen Löchern herauspuffen. Damit ich auch ein Selfie von White Island habe, gebe ich der Führerin mal meine Kamera in die Hand, um den für mich spektakulären Moment festzuhalten. Wir kommen auch an wunderschönen Bächlein vorbei, von Schwefel goldgelb maseriert und ich meine, sie sagt, man solle die Temperatur fühlen und davon kosten. Ich sehe zwar niemanden, der das tut, aber die Temperatur prüfen schon. Eine halbe Stunde später habe ich davon ganz orange Farbe unter den Nägeln. Schon geht das Abenteuer wieder bald zu Ende. Die Wellen sind inzwischen etwas grösser geworden, oder vielleicht ist die Flut gestiegen und man ist etwas nervös, weil eine Welle eben gerade den Landesteg überspült hat.
Die Möglichkeit besteht also absolut, dass wir beim Einschiffen noch nass werden. Aber es klappt alles bestens und alle Gruppen kommen gut wieder ins Schiff zurück, wo man ausser der wieder gefassten Schwimmweste, sowie den Helm und die Gasmaske wieder abgeben kann. Anschliessend wird für alle Wasser und ein Lunch verteilt und ich nehme meinen Platz auf dem Oberdeck wieder ein. Der Platz ist gut, denn diesmal sehe ich als Erste erneut Delfine und wieder verlangsamt das Schiff seine Fahrt und wir können auf dem Vorderdeck dem spielenden Delfinschwarm zusehen. Mein Glückstag ist heute vollkommen und ich feiere Weihnachten und Geburtstag und alles zusammen.
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